Ein Leben für den Widerstand – Gedenken an Dorothy Stang 

Im Februar 2005 musste die brasilianische Nonne und Umweltschützerin Dorothy Stang für ihre Arbeit im Widerstand gegen illegale Landnahme sterben. Die Tat wirft einen Blick auf die Konflikte rund um einen der ältesten und artenreichsten Wälder der Welt.  

Autorin: Kyra Hertel
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„Sie träumte von einem anderen, einem gerechten und solidarischen Amazonien, wo alle das Recht auf Leben haben, das Recht auf Aussaat und Ernte”, sagte der Bischof Erwin Kräutler vom Bistum Xingu auf der Beerdigung der brasilianischen Nonne und Umweltschützerin Dorothy Stang. Seit ihrer grausamen Ermordung am 12. Februar 2005 gilt sie als Symbolfigur für den Widerstand gegen die Zerstörung des amazonischen Regenwaldes. Noch heute – 17 Jahre nach ihrem Tod – gedenken viele Menschen ihres Lebenswerkes.  

Zeremonie in Gedenken an Dorothy Stang (von Cícero Pedrosa Neto, Amazônia Real)

Eine Nonne kämpft für Kleinbauern und Kleinbäurinnen

Dorothy Stang wurde 1931 in Ohio geboren und wuchs in den USA auf. Später bekam sie die brasilianische Staatsbürgerschaft. Schon während ihrer ersten Reise nach Brasilien im Jahr 1966 wurde sie auf die herrschenden sozialen Missstände und die Unterdrückung der Bauern und Bäuerinnen aufmerksam. Zu dieser Zeit bildeten sie und ihre Schwestern Religionslehrer*innen aus und nutzten ihre Arbeit, um auf diese Missstände hinzuweisen.  

In den 1970er Jahren gab die brasilianische Regierung Kleinbauern aus anderen Regionen des Landes Anreize, sich in Transamazonien anzusiedeln. Viele Menschen die bisher kein Land besaßen, sahen ihre Möglichkeit ein neues Leben zu beginnen. Dorothy Stang reiste nach Para, um diese Menschen dabei zu unterstützen dieses Leben aufzubauen. Doch in der neuen Heimat warteten andere Probleme auf die Familien. Große Investor*innen beschlagnahmten die zugesicherten Flächen. Die Kleinbauern und -bäuerinnen zogen tiefer in den Amazonas, doch auch hier begegnete ihnen eine ähnliche Situation.  

Doch in der neuen Heimat warteten andere Probleme auf die Familien.

Denn die Regierung plante mit dem „Carajas Projekt“ ein Infrastrukturprojekt zu dem unter anderem die größte Eisenmine der Welt gehört. Dorothy Stang stand während dieser Zeit an der Seite der Kleinbauern und begleitete sie auf ihrem gefährlichen Weg.  

1982 begann ihre Arbeit in Anapu im brasilianischen Bundesstaat Para. Hier setzte sie sich für die Rechte der dort ansässigen Kleinbauern und -bäuerinnen ein und verteidigte ihr Land gegen Landspekulant*innen und große Holzunternehmen. Sie organisierte Versammlungen für Kleinbauern und -bäuerinnen, gab ihre Forderungen an die Autoritäten in Belém und Brasília weiter und setzte sich gegen illegale Rodungen ein. In den Tagen vor ihrem Tod im Jahr 2005 arbeitete sie für die Pastoral Land Commission (Comissão Pastoral da Terra), einer katholischen Gruppe, die eine Landreform und gesicherte Landrechte für Kleinbauern und -bäuerinnen forderte.  
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Ein Tod – mit Folgen? 

30 Jahre lang kämpfte sie für die Rechte von brasilianischen indigenen Gemeinschaften und Kleinbauern/-innen. Sie bezahlte diese Arbeit mit ihrem Leben. Am 12. Februar 2005 erschoss ein Auftragsmörder die 73-jährige Nonne aus nächster Nähe. Sechs Kugeln aus einem Revolver durchbohrten ihren Körper. Ein Großgrundbesitzer heuerte den Täter an, um die Umweltschützerin aus dem Weg zu räumen. Er bekam dafür 50.000 Reais (ca. 25.000 $). So erzählt es der Täter bei späteren Ermittlungen. Während der Täter kurz nach der Tat verurteilt wurde, blieb der Großgrundbesitzer, der den Mord in Auftrag gab, noch 15 weitere Jahre auf freiem Fuß. Im Jahr 2019 verurteilte ein Gericht auch ihn zu 30 Jahren Haft.  

Sie bezahlte diese Arbeit mit ihrem Leben.

Grab von Dorothy Stang im Centro de Formação São Rafael (von Cícero Pedrosa Neto, Amazônia Real)

Die Tat war der Versuch, Dorothy Stang’s Stimme zum Verstummen zu bringen. Doch dieser Versuch scheiterte. Nachdem ihr Tod bekannt wurde, erhob sich lauter internationaler Protest, dem selbst der damalige brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva (auch Lula genannt) nicht standhalten konnte. Ihr Tod bezeichnete einen Wendepunkt im täglichen Kampf um Land zwischen der armen ländlichen Bevölkerung und Großgrundbesitzer*innen in Para. Bewaffnete Truppen sollten kurzfristig für mehr Sicherheit in dem Gebiet sorgen. Später richtete die brasilianische Regierung dann einige geschützte Zonen für Kleinbauern und -bäuerinnen sowie für indigene Gemeinschaften ein.  

Allerdings ist die Lage für Kleinbauern und -bäuerinnen und indigene Gemeinschaften weiterhin prekär. Noch immer geschehen Morde im Zusammenhang mit Landrechtskonflikten. Illegale Rodungen sind an der Tagesordnung. Seit dem Tod von Dorothy Stang wurden in diesem Zusammenhang mindestens 19 Arbeiter*innen in Anapu ermordet. Der letzte bekannte Fall ereignete sich im Januar 2022 in São Félix do Xingu. Eine Familie, die sich für den Umweltschutz einsetzte, wurde ermordet.  Der Widerstand für das Recht auf Leben für alle muss also weitergehen.  

„Sie träumte von einem anderen, einem gerechten und solidarischen Amazonien, wo alle das Recht auf Leben haben, das Recht auf Aussaat und Ernte.”

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Titelbild: Amazônia Real, bearbeitet von Ícaro Uther

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